Die AfD in den Zeiten Coronas

Auf die Covid-19-Pandemie reagiert auch die AfD. In Sachsen will sie in dieser Woche eigene Vorschläge zum Umgang mit der Krise im Landtag diskutieren, die teils untauglich und rechtswidrig, teils schon umgesetzt sind. Fachlich können die Abgeordneten offenbar wenig beitragen – mitreden wollen sie trotzdem.

Am kommenden Mittwoch wird die nächste Landtagssitzung in Dresden stattfinden, nach einer siebenwöchigen Pause. In der Zwischenzeit ist mehr passiert, als irgendwem lieb sein kann. Die Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) will dazu eine Fachregierungserklärung abgeben, wird erklären, welche Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ergriffen wurden und welche vielleicht noch kommen werden. In ihrem Ministerium befasst sich ein Krisenstab damit und stellt aktuelle Informationen bereit.

„Großübung“, eine gute Idee?

Während die anderen Fraktionen vor allem zuhören werden, will sich die AfD auf jeden Fall selbst äußern und das Thema zu einem politischen Streitpunkt machen. Auf der Tagesordnung des Plenums steht ein Antrag, den die AfD-Fraktion bereits vor anderthalb Wochen vorgelegt hat und der voraussichtlich am späten Mittwochnachmittag aufgerufen wird. Titel: „Grenzen sichern – akute Gefahren für die Sicherheit aller unverzüglich abwehren“. Die Fraktion will, dass der Landtag vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie ein ganz spezielles Maßnahmenbündel beschließt.

Zu den zentralen AfD-Forderungen gehört es, möglichst schnell eine „Großübung an den deutschen Außengrenzen“ durchzuführen und dort, an den Grenzen zu Tschechien und Polen, die sächsische Bereitschaftspolizei aufziehen zu lassen. Aus der Übung soll am besten Ernst werden. Dafür will man die sächsischen Beamt*innen der Bundespolizei „anbieten“, um diese bei der „Erfüllung der Aufgabe der Grenzsicherung“ einzusetzen. Das Ziel des Vorgehens wird im zweiten Teil des Antrags deutlich. Dort heißt es, dass „illegal eingereiste Personen durch verstärkte Kontrollen ausfindig“ gemacht werden müssten und dann in Quarantäne zu nehmen seien.

Grenzen dicht, Ausländer*innen festsetzen: Der Antrag verbindet die aktuelle Lage mit einem zentralen Anliegen und einer vermeintlichen Lösung der AfD, der Wiedereinführung von Grenzkontrollen. Die Partei fordert das seit langem. Sie verfolgt das Modell einer geschlossenen Gesellschaft, auch ohne Bezug zu einem speziellen Anlass, etwa der Pandemie. Diese wird nun zusätzlich ethnisiert und mit „illegaler Einwanderung“ verknüpft. Auch das ist ein Brot-und-Butter-Thema der AfD. Die Suggestion, dass Ausländer*innen Krankheiten nach Deutschland „einschleppen“ würden, ist nicht neu, Behauptungen über hygienische Missstände unter Nicht-Deutschen sind ein rassistisches Standard-Klischee.

Bedenkliche Forderungen

Allerdings: In der Begründung des Antrages weist die AfD-Fraktion selbst darauf hin, dass bisherige Corona-Übertragungen eher auf reguläre Fernreisende zurückzuführen sind, nicht auf Migrant*innen. Für den Vorschlag, illegal eingereiste Personen prinzipiell in Quarantäne zu nehmen, ohne dass medizinisch relevante Indikationen vorliegen, gibt die AfD keine Rechtsgrundlage an, was daran liegt, dass es keine gibt. Der Vorschlag ist rechtswidrig.

Und er scheint auch nicht wohldurchdacht zu sein: Bei einer „Großübung“ würden zahlreiche Beamt*innen gruppenweise zusammengefasst. Ein Grenzschutz, wie er der AfD vorschwebt, wäre eine Art permanenter Großveranstaltung, die zu vermeiden die derzeit gängige Empfehlung ist. Die Wirksamkeit von Grenzschließungen für die Eindämmung der Pandemie ist fachlich umstritten, die Forderung zudem überholt, denn Tschechien und Polen haben ihrerseits strikte Grenzkontrollen eingerichtet.

AfD will „konstruktive“ Zusammenarbeit

Wohl vor allem deshalb hat die AfD am vergangenen Freitag einen weiteren Antrag eingereicht. Für das nächste Landtagsplenum kommt er eigentlich zu spät und wird nur aufgerufen, falls er durch das Landtagspräsidium für dringlich erklärt wird. Die Fraktion bemerkte dazu in einer Pressemitteilung, die anderen Parteien sollten „ihre Blockadepolitik gegenüber der AfD zumindest in dieser für Sachsens Bürger existenziellen Frage“ aufgeben und mit der AfD „konstruktiv“ zusammenarbeiten, „um den größtmöglichen medizinischen Schaden abzuwenden.“ Ganz so, als könnte das mit den AfD-Vorschlägen erreicht werden.

Grenzkontrollen fordert die Fraktion in dem neuen Antrag noch immer, nur keine „Großübung“ mehr. Vielmehr soll nun das laufende NATO-Übungsmanöver „Defender 2020“ abgebrochen werden. Doch selbst damit kommt man zu spät, denn wegen der Pandemie ist die Militärübung bereits faktisch ausgesetzt. Die weiteren Forderungen der AfD bewegen sich in Bereichen des Selbstverständlichen, des Ungefähren oder des bereits Erledigten: Der Landtag soll demnach öffentlich erklären, dass die Ausbreitung des Corona-Virus eine ernste Gefährdung ist und weitreichende Maßnahmen sowie ein koordiniertes Handeln zur Eindämmung erforderlich sind. Das hat keinen Neuigkeitswert.

Weiter will die Fraktion die Landesregierung dazu bringen, die Bevölkerung über die Lage und über mögliche Schutzmaßnahmen zu informieren, öffentliche Veranstaltungen abzusagen sowie Schulen und Kindertagesstätten vorübergehend zu schließen. Unternehmen, denen Verluste drohen, soll geholfen werden. Anderweitig Erkrankte mögen ohne direkten Arztkontakt zum Krankenschein kommen.

Partei verspottet Krisenstab

Die Forderungen kommen einem bekannt vor, weil es all das so oder ähnlich bereits gibt. Der neue AfD-Antrag war gerade eingereicht, da wurde die Aussetzung der Schulpflicht in Sachsen bekannt gegeben. Die AfD versuchte sofort, sich diesen Schritt als eigenen Erfolg anzurechnen: Der Ministerpräsident Kretschmer habe damit eine AfD-Forderung umgesetzt, wurde prompt auf der Facebook-Seite der Fraktion behauptet.

Ein Eigenlob, das wenig damit zu tun haben dürfte, „größtmöglichen medizinischen Schaden abzuwenden“. Eher damit, Anteil haben zu wollen an Macht und an Entscheidungen, die andere getroffen haben. Das Eigenlob ist zudem ungerechtfertigt, denn tatsächlich folgte Kretschmer dem Vorbild anderer Bundesländer. Die sächsische AfD dagegen war in Wirklichkeit erst sehr spät in das Thema eingestiegen. Seit ihrem Grenzschluss-Antrag hatte sie sich nur einmal kurz eingeschaltet: In einer Pressemitteilung vom vergangenen Dienstag nannte der Abgeordnete Frank Peschel, wirtschaftspolitischer Sprecher seiner Fraktion, den Krisenstab der Staatsregierung einen „Witz“.

Es scheint nicht recht zusammenzupassen, ein entschlossenes Vorgehen zu fordern, dazu aber wenig Sinnvolles beitragen zu können – und stattdessen auf eine alles andere als konstruktive Weise den Versuch zu unterminieren, mit den drastischen Folgen der Pandemie und ihrem ungewissen weiteren Verlauf umzugehen.

Fehlende Expertise

Viele Möglichkeiten, sich derzeit konstruktiv einzubringen, hat die AfD in Sachsen aber auch nicht. Ihr fehlt schlicht die gesundheitspolitische Expertise. Vom Fach ist lediglich eine der 38 AfD-Abgeordneten, Gudrun Petzold aus dem nordsächsischen Mockrehna. Zu DDR-Zeiten arbeitete sie als Ingenieurin für Infektionsschutz und Epidemiologie. Später schulte sie zur Heilpraktikerin um und betrieb eine „Naturpraxis“.

Im Landtag ist Petzold die seniorenpolitische Sprecherin ihrer Fraktion und hat nochmals das „Fachgebiet“ gewechselt. Sie beschäftigt sich jetzt – genau wie Frank Peschel übrigens – mit dem 5G-Mobilfunkausbau und warnt vor angeblich schädlichen Strahlen. Im Parlament aufgefallen ist sie nur einmal, als sie bei der Holocaust-Gedenkveranstaltung am 27. Januar mit einem Schal dasaß, der aus einem toten Fuchs bestand, einem Symboltier antisemitischer Erzählungen.

Der gesundheitspolitische Sprecher der AfD-Fraktion ist ein anderer, Frank Schaufel, ein Augenoptiker aus dem vogtländischen Plauen. Er ist eines der bislang inaktivsten Landtagsmitglieder überhaupt. Seitdem er dem Parlament angehört, also seit bald einem halben Jahr, hat er eine einzige Anfrage gestellt, die sich mit Seiteneinstiegen bei Lehrkräften beschäftigt. Schaufels einziger und denkbar knapper O-Ton zur aktuellen Situation lautete vor einigen Tagen: „Grenze dichtmachen!“

Termin auf der Kippe

Noch ist offen, ob der Landtag in dieser Woche überhaupt zusammentreten kann und die AfD zu Wort kommen wird. Denn Teile des Parlamentsgebäudes sind bereits seit einer Weile nicht mehr frei zugänglich. Ab heute gelten verschärfte Zutrittsregeln, Besucher*innengruppen, die sonst regelmäßig durch den Landtag geführt werden, kommen gar nicht mehr rein. Einzelne Gäste dürfen das nur noch in Ausnahmefällen. Bedingung ist eine schriftliche Erklärung zum eigenen Gesundheitszustand und darüber, in der jüngsten Vergangenheit nicht in einem Risikogebiet gewesen zu sein.

Es handelt sich um eine Entscheidung des Landtagspräsidenten mit dem Ziel, den Parlamentsbetrieb aufrecht erhalten zu können. Allerdings sieht die Geschäftsordnung des Landtags vor, dass Plenarsitzungen grundsätzlich öffentlich stattfinden. Heißt: Der Zugang kann nicht einfach beschränkt werden. Eine Entscheidung zum weiteren Vorgehen wird in Kürze erwartet. Dem Vernehmen nach sollen die beiden Sitzungstage am Mittwoch und Donnerstag auf ein Mindestmaß reduziert werden. Das setzt voraus, dass die Fraktionen mitziehen – und auf unnötige Anträge verzichten.