AfD-„Mimimi“ zum Verfassungsschutz

 Plenarsaal │ Auf die drohende Beobachtung der sächsischen AfD reagierte heute nach längerem Schweigen die Landtagsfraktion. Sie distanzierte sich bei der letzten Plenarsitzung in diesem Jahr kein Stück vom Verdacht des Rechtsextremismus – sondern bedankte sich für die „kostenlose Werbung“, wie der Abgeordnete Roland Ulbrich sagte. Ihm warf der Innenminister „puren Antisemitismus“ vor.


Beitrag vom 17.12.2020, 17:30 Uhr


AfD sucht Schuld beim „Altparteienkartell“

Anderthalb Wochen nach ersten Medienberichten über die bevorstehende Beobachtung der sächsischen AfD durch den Verfassungsschutz hat die Landtagsfraktion erstmals öffentlich Stellung genommen. Von einer „Schmierenkomödie“ sprach der Abgeordnete Roland Ulbrich während einer Plenardebatte am Donnerstagnachmittag. „Das Altparteienkartell will einen lästigen Konkurrenten loswerden und es hat zu diesem Zweck den Verfassungsschutz beauftragt, die AfD zu beobachten“, behauptete er. Von dem amtlich erhobenen Verdacht, wonach es sich bei seiner Landespartei um eine sogenannte rechtsextremistische Bestrebung handeln könnte, distanzierte sich Ulbrich nicht – sondern bedankte sich für die „unerwartete, kostenlose Werbung“.

Auch Carsten Hütter, weiterer AfD-Redner während der Debatte, ging auf die Vorwürfe gegen Mitglieder seiner Fraktion nicht ein, die offenbar dazu führten, dass das Landesamt für Verfassungsschutz den gesamten Sachsen-Verband ins Visier nehmen will. Die AfD solle „mundtot“ gemacht werden, beklagte Hütter. Er forderte das Ende der „Bespitzelung demokratisch gewählter Volksvertreter“ und Aufklärung darüber, durch wen interne Vorgänge „durchgestochen“ wurden. Daran könnte Hütter selbst beteiligt gewesen sein: Er ist Mitglied der geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollkommission, die sich am Montag der Vorwoche unter anderem mit der Speicherung von Abgeordnetendaten befasst hat. Daraufhin setzte seine Fraktion das Thema („Verdächtig gut“) auf die Tagesordnung des Plenums, noch bevor die beabsichtigte Einstufung durch Presserecherchen allgemein bekannt wurde.

Andere Fraktionen räumten ein, dass dem Landesamt für Verfassungsschutz in der Vergangenheit Fehler unterlaufen seien. Wer sich jedoch entscheide, ein „Sammelbecken für Rechtsextremisten“ zu bieten, müsse mit einer Beobachtung leben, sagte Rico Anton (CDU). „Die AfD hat sich radikalisiert, weil sie sich radikalisieren wollte“, fügte Kerstin Köditz (Linke) an, die AfD-Abgeordnete zum Ausstieg aufforderte. Laut Valentin Lippmann (Grüne) beweise die Partei „nahezu täglich, dass sie zu erheblichen Teilen nicht auf dem Boden des Grundgesetzes steht und zu erheblichen Teilen rechtsextrem ist“. Statt sich damit auseinanderzusetzen führe sie jetzt eine „Mimimi-Debatte“. Henning Homann (SPD) erinnerte daran, dass der Verfassungsschutz bislang lediglich Material zur Kenntnis genommen habe, das durch die AfD „öffentlich zur Verfügung gestellt wurde“.

Wöller: AfD „alleine verantwortlich“

Auch Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) meldete sich zu Wort. „Die AfD hat dem Verfassungsschutz viele Argumente geliefert“, sagte er und verwies auf den Parteivorsitzenden Jörg Meuthen, der genau das in einer Rede beim Bundesparteitag bemängelt hatte. Über die geplante Einstufung als Verdachtsfall darf sich Wöller von Rechts wegen nicht äußern. An die AfD-Mitglieder gewandt sagte er indes, sie seien „alleine verantwortlich“ für das Bild, das sie abgeben.

Zu diesem Bild gehöre es, dass sich die Führung von Partei und Fraktion offenbar auch jetzt nicht vom Rechtsextremismus abwende. Dem Abgeordneten Roland Ulbrich warf der Innenminister gar „puren Antisemitismus“ vor. Der in Leipzig lebende Rechtsaußen-Politiker hatte das antisemitische Attentat in Halle im Oktober 2019 als eine „Sachbeschädigung“ verharmlost. „Die AfD gefährdet jüdisches Leben“, sagte Wöller. Mitglieder der AfD-Fraktion verfolgten die Debatte teils mit höhnischem Gelächter und Zwischenrufen.

Am Wochenende hatte der Fraktions- und Landesvorsitzende Jörg Urban in einem Facebook-Beitrag eine „juristische Auseinandersetzung“ angekündigt, ohne Details zu nennen. Man habe sich „nichts vorzuwerfen“, hieß es weiter. Erst am Freitag hatte sich der AfD-Landesverband in einer Erklärung ausdrücklich mit der neofaschistischen Initiative „Ein Prozent“ solidarisiert, nachdem deren Youtube-Kanal gelöscht worden ist. Es handle sich bei der Löschung um „stalinistisch anmutende Willkür“, so die Partei. Im Juni war bekannt geworden, dass sich das Bundesamt für Verfassungsschutz mit „Ein Prozent“ befasst – und diese Gruppe als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft hat.