Vogtland-AfD wieder eigenständig

Nach anderthalb Jahren der Zwangsverwaltung hat der kleine AfD-Verband im Vogtland wieder einen eigenen Vorstand. Doch die großen Probleme im Kreisgebiet wurden offenbar nicht gelöst. Die Parteispitze will trotzdem geordnete Verhältnisse schaffen – um das Bundestagswahljahr nicht zu verhageln.


Beitrag vom 13.10.2020, 15:10 Uhr │ Im Bild: Jan-Oliver Zwerg (r.) gratuliert dem neuen Kreischef René Standke.


Neuwahl war Chefsache

Erstmals seit anderthalb Jahren hat die AfD im Vogtlandkreis wieder einen regulären Vorstand. Bei einem Kreisparteitag in Morgenröthe-Rautenkranz wurde am Samstag der ortsansässige René Standke zum neuen Vorsitzenden gewählt. Für ihn stimmten knapp 90 Prozent der rund 60 anwesenden Mitglieder. Als Stellvertreter wurden Mathias Weiser (Plauen), Udo Fuchs (Markneukirchen) und Lutz Hauswald (Treuen) gewählt. Die Namen der weiteren sieben Vorstandsmitglieder gab die Partei bislang nicht bekannt. Unter ihnen soll unter anderem Danny Zeiner (Reichenbach) sein, der sich mit dem Landtagsabgeordneten Ulrich Lupart ein Büro teilt. Die lange erwartete Neuwahl war Chefsache, der sächsische Generalsekretär Jan-Oliver Zwerg und der stellvertretende Landeschef Siegbert Droese leiteten das Treffen.

Damit endet eine lange Phase, in der die vogtländische AfD unter Zwangsverwaltung des Landesvorstands stand. Mit der Betreuung war Torsten Gahler beauftragt gewesen, Schatzmeister in Sachsen und inzwischen Landtagsmitglied. Er hatte erst in der vergangenen Woche angekündigt, dass der Verband angesichts einer „positiven Entwicklung“ demnächst wieder „eigenverantwortlich die Geschäfte führen“ darf. Das war unmöglich geworden, als im April 2019 der bisherige Kreisvorstand geschlossen zurückgetreten ist. Der damalige Vorsitzende Steven Lochmann hatte das mit anhaltenden „Grabenkämpfen“ begründet, die Landespartei dagegen mit „organisatorischen Mängeln“ bei der Vorbereitung von Wahlkämpfen.

So zog sich etwa die Nominierung der vier Direktkandidat*innen zur Landtagswahl 2019 über Monate hin, statt einer waren dafür drei Aufstellungsversammlungen nötig, bei denen teils schwer gepatzt wurde. Beispielsweise wurden Kandidaturen an die Bereitschaft geknüpft, einen speziellen Vertrag einzugehen: Wer den Sprung ins Parlament schafft, sollte mindestens die Hälfte der künftigen Mandatsbezüge an den Kreisverband abführen. Doch das war klar rechtswidrig. In einem der Wahlkreise stand außerdem bis wenige Wochen vor der Wahl auf der Kippe, ob eine Direktkandidatur zugelassen wird, nachdem man den Kandidaten drei mal ausgetauscht hatte. Die Social-Media-Kanäle des Kreisverbands sind damals schlagartig verwaist, für die AfD wurde das Vogtland zum Brachland. Aktuell hat sie dort 136 Mitglieder, weniger als in allen anderen sächsischen Regionen.

Spaltung im Kreistag sichtbar

Ob die Probleme behoben sind, darf bezweifelt werden, denn im Vogtland ist die Partei weiterhin gespalten. Das zeigt ein Blick in den Kreistag, in dem die AfD seit geraumer Zeit mit 17 Mitgliedern sitzt und theoretisch die zweitstärkste Fraktion bilden könnte. Doch so weit kam es nie: Sieben gewählte Vertreter*innen scherten aus und blieben von Anbeginn fraktionslos. Im Hintergrund stand ein Streit um den Vorsitz, den Steffen Arlt für sich beansprucht. Auch Gahler hielt lange zu dessen Fraktion, die bis heute den Namen der Partei nutzt. Doch im neuen Kreisvorstand haben jetzt plötzlich mit Standke, Fuchs, Hauswald und Zeiner vier der Abtrünnigen das Sagen – und im Kreistag den Landtagsabgeordneten Ulrich Lupart auf ihrer Seite. Offenbar nicht berücksichtigt wurde hingegen die Fraktion um Arlt. Zu ihr gehören unter anderem der Ex-Vorsitzende Lochmann und mit Frank Schaufel der zweite Vogtländer, der für die AfD im Landtag sitzt.

Mehrere Mitglieder der neuen Kreisleitung waren früher schon einmal im Vorstand aktiv gewesen, zu einer Zeit, in der noch Gunter Wild die Regie führte. Er war 2014 für die AfD in den Landtag eingezogen, gut drei Jahre später wechselte er zu Frauke Petrys „Blauer Partei“. Vorangegangen waren Versuche, Wild als Kreischef abzusägen, die treibende Kraft war Frank Schaufel. Nachdem Wild die Reißleine zog, erklärte auch seine damaliger Büromitarbeiter Udo Fuchs den Rückzug aus dem Kreisvorstand. Offiziell begründete er das mit dem Treiben „machtgieriger Menschen in den eigenen Reihen“. Den Namen Schaufel erwähnte er in der Öffentlichkeit nicht. Doch es war unter anderem Schaufel, der zu dieser Zeit die AfD-Regionalgruppe Plauen aus der Taufe hob, eine Parallelstruktur, die sich von Anbeginn rechts des offiziellen Kreisverbands positionierte. Die Regionalgruppe, zuletzt der einzige aktive AfD-Ableger im Kreisgebiet, stand im Sommer hinter einer Veranstaltung, bei der Parteimitglieder einen Journalisten angriffen und misshandelten. Die Partei nahm dazu bis heute keine Stellung, die Kreistagsfraktion verteidigte das Vorgehen.

Möglicherweise war dieser Vorfall, zu dem die Ermittlungen andauern, ein gewichtiger Grund, bei der Neuformierung der Kreisspitze doch nicht auf Kräfte wie Schaufel, Arlt und Lochmann zu setzen. Mehrere von ihnen haben einen weiteren schweren Makel: Sie waren an einer im März 2018 aufgeflogenen Chatgruppe beteiligt, in der unter einigen damals führenden vogtländischen AfD-Mitgliedern einschlägige Inhalte geteilt worden sind. Lochmann hatte darin Mitglieder ausdrücklich ermuntert, sich „gerne“ an einer Kundgebung der Neonazi-Partei „Der III. Weg“ zu beteiligen, man möge bloß auf AfD-Logos verzichten. Es war René Standke, der neue Kreisvorsitzende, der damals Details aus der Chatgruppe, der er monatelang selbst angehört hatte, an die Landesspitze durchstach – und damit Lochmanns Aus vorarbeitete.

Parteifrieden bis zur Bundestagswahl

Diese tiefen Gräben, aus denen profunde Feindschaften wurden, sind nicht überwunden. Dass es die AfD plötzlich eilig hatte, den Kreisverband auf eigene Füße zu stellen, könnte andere Gründe haben. Zur gleichen Zeit, als man in Morgenröthe-Rautenkranz einen neuen Vorstand wählte, traf sich die Bundespartei im thüringischen Suhl zu einer internen Klausurtagung, gemeinsam mit Vertreter*innen der Landesverbände. Dem Vernehmen nach ging es dabei auch um die Vorbereitung der Bundestagswahl im kommenden Jahr. Wie idas aus Parteikreisen erfuhr, sorgt man sich in der Bundesspitze seit geraumer Zeit, dass Faselfehler und innere Spannungen den Wahlkampf verhageln könnten.

Die zurückliegenden Querelen um Nominierungen im Vogtland sind dabei nur ein Beispiel unter vielen, die allerdings oft in Sachsen spielen. Zur Landtagswahl im vergangenen Jahr durfte die Partei nur mit einer gestutzten Landesliste ins Rennen gehen, weil mitten im Aufstellungsprozess das Wahlverfahren geändert wurde. Bei der vorigen Bundestagswahl misslang der flächendeckende Antritt im Freistaat, weil es in Zwickau keinen Direktkandidaten gab. In der Sächsischen Schweiz ging man damals mit Frauke Petry ins Rennen, die immer stärker ins Abseits geriet, aber nicht mehr abberufen werden konnte und danach die AfD verließ. Sie war zugleich Spitzenkandidatin auf der Landesliste. Um sie zusammenzustellen brauchte man aber auch zwei Anläufe.

So viel Zeit könnte diesmal nicht bleiben angesichts der ungewissen Corona-Situation und begrenzter Versammlungsmöglichkeiten. Dazu kommt der Machtkampf in der AfD. Die jüngsten Parteitage in Niedersachen und Sachsen-Anhalt haben gezeigt, dass der Flügel auf Gelegenheiten wartet, das eher gemäßigte Lager abzustrafen. Nicht auszuschließen ist, dass beim kommenden Gerangel um aussichtsreiche Plätze mögliche Formfehler als Hebel genutzt werden, unliebsame Nominierungen anzufechten. Die Bundesspitze will nun mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen helfen, Fehler zu umschiffen. Dazu gehören geordnete Verhältnisse in den Verbänden.