Verfassungsschutz-Datensammlung zu AfD-Abgeordneten doch legal?

Exklusiv │ Der vermeintliche Skandal um die Erhebung und Speicherung von Informationen zu AfD-Abgeordneten durch den sächsischen Verfassungsschutz bricht zusammen. Einem neuen Datenschutz-Gutachten zufolge handelte die Behörde im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags und des engen rechtlichen Spielraums. Nur in wenigen Fällen steht das noch in Frage – und eine Löschung der Materialsammlung nicht mehr zur Debatte.


Beitrag vom 06.10.2020, 13:45 Uhr


Die Sammlung und Speicherung von Daten über AfD-Abgeordnete durch das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) ist legal erfolgt. Zu diesem Schluss kommt ein bislang unveröffentlichtes Gutachten des Sächsischen Datenschutzbeauftragten Andreas Schurig.

Kein Verstoß gegen Vorgaben

Wie idas erfahren hat, nahm Schurig Presseberichte zu möglicherweise unrechtmäßig angehäuften Informationen über neun Parlamentarier zum Anlass, Einsicht in die geheimen Unterlagen zu nehmen. Diese waren Anfang Juli durch den Innenminister Roland Wöller (CDU) als „illegal“ bezeichnet worden. Der Vorgang führte zur plötzlichen Ablösung des bisherigen Verfassungsschutz-Präsidenten Gordian Meyer-Plath durch Dirk-Martin Christian, der zuvor im Ministerium für die Aufsicht über das LfV zuständig war. Das Vorgehen des Amtes unter seinem Vorgänger wurde sogar als „Verfassungsbruch“ bewertet.

Dieser Auffassung kann sich Schurig nach übereinstimmenden Angaben jedoch ausdrücklich nicht anschließen. Er widerspricht dem Ministerium deutlich – und stellt indirekt Wöllers Motive in Frage, Meyer-Plath quasi über Nacht fallen zu lassen. Die Erfassung der Daten von Abgeordneten in einer Materialsammlung zum AfD-Landesverband, den das LfV als sogenannten Prüffall bearbeitet, stellt aus Sicht des Datenschutzbeauftragten nämlich keinen Verstoß gegen strenge Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Beobachtung von Abgeordneten dar. Damit ist das sogenannte Ramelow-Urteil aus dem Jahr 2013 gemeint, in dem der Beobachtung von Mandatsträger*innen enge Grenzen gezogen werden. Daran habe man sich in Sachsen gehalten, heißt es nun.

Auch die Auswahl der betroffenen Personen war demnach plausibel, es handle sich schließlich um führende Köpfe der Landespartei, die ihrerseits stark durch den verfassungsfeindlichen Flügel beeinflusst wird. Dies näher zu ergründen und zu diesem Zweck temporär Informationen zu speichern liege im Rahmen des gesetzlichen Auftrags eines Nachrichtendienstes. Allerdings sollen Zweifel in drei einzelnen Fällen bestehen. Der erste betrifft den Bundestagsabgeordneten Karsten Hilse. Zu ihm sandte das LfV eine Zeitungsmeldung an das Bundesamt für Verfassungsschutz. Das war bereits Ende 2018 geschehen, noch vor der Einleitung des Prüffalls. Für die Übermittlung zu diesem frühen Zeitpunkt gab es keine gesetzliche Grundlage, Konsequenz: Das LfV muss diese Pressemeldung löschen.

AfD wurde nicht ausgespäht

Bei zwei weiteren Personen weiß das LfV offenbar nur wenig über Verbindungen in einschlägige Kreise. Gemeint sind die beiden Landtagsabgeordneten Sebastian Wippel und André Wendt. Speicherungen zu ihnen könnten sich daher als unverhältnismäßig erweisen. Entwarnung gibt es unterdessen in einer anderen Richtung, hier legt sich Schurig fest: Anders als es die AfD wiederholt suggeriert hat sind alle Informationen ausschließlich aus öffentlich zugänglichen Quellen gewonnen worden, ohne Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel.

Dies hatte zuvor bereits die Parlamentarische Kontrollkommission des Sächsischen Landtags festgestellt, die sich in rund einem Monat erneut und dann womöglich abschließend mit dem Vorgang befassen wird. Im Gegensatz zu Schurig hatte das Gremium aber erhebliche handwerkliche Fehler beim Vorgehen des LfV erkannt. Fazit von Anfang September: „Die beabsichtigte Speicherung gesammelter Informationen zu einzelnen Abgeordneten genügte in keinem Fall den engen rechtlichen Anforderungen“. Der Behörde gelang es nachträglich, zu mehreren Betroffenen doch noch eine „rechtssichere Belegführung“ zu erbringen.

Eine zunächst angedachte Komplett-Löschung der Datensammlung ist damit vom Tisch, vielmehr wird sie anwachsen. Inzwischen sind nämlich weitere sächsische AfD-Abgeordnete in den Fokus geraten. Erst kürzlich war bekannt geworden, dass das Bundestagsmitglied Jens Maier als „Rechtsextremist“ eingestuft wurde. Darüber berichtete idas in der vergangenen Woche zuerst, gestern bestätigte das LfV verschiedenen Medien diesen Schritt.