Weitere AfD-Nullrunde bei Bürgermeister*innen-Wahlen

In Hoyerswerda hat die AfD verloren, in Chemnitz und Zwickau schnitten ihre Kandidaten gestern in den ersten Runden der OBM-Wahlen schlecht ab. Auch in den Gemeinden Arnsdorf, Steinigtwolmsdorf und Stauchitz blieben ersehnte Achtungserfolge für die Partei aus. Ein blaues Rathaus in Sachsen – das wird es wohl so schnell nicht geben.


Beitrag vom 21.09.2020, 16:15 Uhr


Hoyerswerda: Gbureck gescheitert

Der vergangene Sonntag war ein Superwahltag in Sachsen. In 20 Städten und Gemeinden fanden die ersten Durchgänge zur Wahl neuer Bürgermeister*innen statt, fünf davon mit AfD-Beteiligung. Zudem stand in Hoyerswerda (Landkreis Bautzen) die entscheidende zweite Runde zur OBM-Wahl an. Dort ist die Partei endgültig gescheitert: Der Kandidat Marco Gbureck kam mit 16,2 Prozent der Stimmen lediglich auf den dritten Platz. Das Rennen machte Torsten Ruban-Zeh (SPD) mit 44,3 Prozent, gefolgt von Dorit Baumeister. Die gemeinsame Kandidatin von Grünen, Linken und Aktives Hoyerswerda errang 33,4 Prozent der Stimmen. Auf dem letzten Platz landete Claudia Florian (CDU) mit 6,1 Prozent.

Gbureck, auf dessen Kandidatur große Erwartungen der Partei gelastet hatten, lag in keinem der 26 Wahlbezirke vorn. Gegenüber dem ersten Wahlgang vor zwei Wochen verlor er sogar noch an Zuspruch. Damals hatte er bei geringfügig höherer Wahlbeteiligung noch 18,5 Prozent erhalten, gut 500 Stimmen mehr als jetzt. In einer ersten Stellungnahme gratulierte Gbureck dem Wahlsieger, ohne Gründe für das eigene Abschneiden anzusprechen. Anders äußerte sich seine AfD-Regionalgruppe. Sie beklagt „diverse Hetzkampagnen“, denen man ausgesetzt gewesen sei. Auch künftig werde man „der Stachel im Fleisch der Kartellparteien sein“, heißt es in einem Facebook-Beitrag.

Chemnitz: Oehme auf dem vierten Platz

Unerwartet schwach ist das Ergebnis für die AfD auch in Chemnitz, wo gestern die erste Runde zur OBM-Wahl stattfand. Der Bundestagsabgeordnete Ulrich Oehme, bekannter Anhänger des verfassungsfeindlichen Flügels, erhielt dabei 12,7 Prozent der Stimmen – noch weniger, als eine Vorab-Umfrage erwarten ließ. Unter den insgesamt neun Kandidierenden errang er nur den vierten Platz. Vorn liegt der SPD-Kandidat Sven Schulze mit 23,1 Prozent, gefolgt von Almut Patt (CDU, 21,4 Prozent) und Susanne Schaper (Linke, 15,1 Prozent). Das rechte Wahlangebot war groß, so trat für die Lokalpartei „Pro Chemnitz“ der Rechtsanwalt und Neonazi Martin Kohlmann an. Er holte 4,2 Prozent der Stimmen, das reichte nur für den drittletzten Platz.

Oehme konnte nur in wenigen Stadtteilen deutlich punkten, in Altchemnitz und Einsiedel liegt er mit jeweils über 20 Prozent sogar vorn. Gegenüber der Freien Presse erklärte er, mit dem Ergebnis „nicht unzufrieden“ zu sein. Es böten sich noch „jede Menge Chancen“ für den zweiten Wahlgang, der für den 11. Oktober angesetzt ist. Der Kreisverband de AfD will heute über einen erneuten Antritt beraten, es gilt als wahrscheinlich, dass Oehme an seiner Kandidatur festhält.

Zwickau: Gerold sucht Schuld bei der Partei

Ebenfalls um eine neue Oberbürgermeister*in geht es in Zwickau. Dort ist für die AfD Andreas Gerold als einer von fünf Kandidierenden angetreten. Mit glatten 17 Prozent der Stimmen kam er gestern auf den dritten Platz. Derzeit in Führung liegt Kathrin Köhler (CDU) mit 31,5 Prozent, gefolgt von Constance Arndt (Bürger für Zwickau), die auf 21,7 Prozent kam. Die Wahlbeteiligung war mit knapp 42 Prozent niedrig, doch auch davon konnte Gerold nicht profitieren. Zwar schloss er in immerhin zehn der 74 Wahlbezirke ins Spitzenfeld auf, ging dort teils sogar knapp in Führung. Trotzdem ist er mit dem Resultat „nicht ganz zufrieden“.

Gegenüber der Freien Presse machte er dafür nicht sich selbst, sondern seine Partei verantwortlich: Sie habe sich beispielsweise „nicht ausreichend klar“ von den Ereignissen rund um die Corona-Proteste in Berlin distanziert. Auf seinen Werbematerialien hatte Gerold von Anbeginn auf das Logo der AfD verzichtet, die in Zwickau schon seit längerem als tief zerstritten gilt. Zur Frage eines erneuten Antritts beim zweiten Wahlgang am 11. Oktober äußerte sich Gerold noch nicht.

Abgeschlagen in Arnsdorf, Steinigtwolmsdorf, Stauchitz

Neben den großen Städten wurde gestern auch in kleineren Orten gewählt, teils mit AfD-Kandidaten. In Arnsdorf (Landkreis Bautzen) kam Detlef Oelsner auf 27,1 Prozent. Er ist parteilos, wurde aber von der AfD vorgeschlagen und steht nunmehr auf dem dritten und letzten Platz. Ein enges Rennen um die Spitzenposition liefern sich Ilko Keßler vom Bürgerforum, der auch SPD-Mitglied ist, und CDU-Kandidat Frank Eisold mit 37 beziehungsweise 36 Prozent. Der abgeschlagene AfD-Kandidat hatte im Wahlkampf prominente Unterstützung erhalten, Parteichef Tino Chrupalla besuchte den kleinen Ort mit seinen knapp 5.000 Einwohner*innen.

Arnsdorf war 2016 in die Schlagzeilen geraten, als vier Männer im Stil einer Bürgerwehr einen psychisch erkrankten Geflüchteten mit Kabelbindern an einen Baum fesselten. Oelsner, damals noch bei der CDU, war beteiligt. Die ehemalige Bürgermeisterin Martina Angermann (SPD) wurde monatelang angefeindet, weil sie die Tat deutlich verurteilt hatte, und beantragte schließlich ihre vorzeitige Versetzung in den Ruhestand. Oelsners Kandidatur sorgte dadurch erst recht für Aufsehen. Von dem Ergebnis ist er jetzt „etwas enttäuscht“, sagte er der Sächsischen Zeitung. In drei Wochen will er im zweiten Wahlgang erneut antreten.

Im gleichen Landkreis, im knapp 30 Kilometer entfernten Steinigtwolmsdorf, trat Alexander Zapke für die AfD an. Auch er kam auf den dritten Platz, erhielt aber nur 14,4 Prozent der Stimmen. Die Nase vorn haben die beiden Mitberwerber*innen: Kathrin Gessel, eine gemeinsame Kandidatin von CDU und der örtlichen Bürgerbewegung, kam auf 43,5 Prozent. Knapp darauf folgt David Wolf mit 42,1 Prozent, er trat für den Verein Dorfkultur an. Mit fast 75 Prozent war die Wahlbeteiligung in dem kleinen Ort mit seinen knapp 2.400 Wahlberechtigten ausgesprochen hoch. Auch hier wird am 11. Oktober ein weiterer Wahlgang folgen. Eine Stellungnahme des deutlich unterlegenen AfD-Kandidaten liegt noch nicht vor.

Der letzte Urnengang mit AfD-Beteiligung fand am Sonntag in einer Gemeinde von ähnlicher Größe statt, in Stauchitz (Landkreis Meißen). Dort stellten sich gleich sieben Kandidierende zur Wahl, fast durchweg Einzelbewerber*innen. Enrico Barth trat für die AfD an, er kam mit lediglich 7,4 Prozent auf den vierten Platz. Vorne liegen Bauamtsleiter Dirk Zschoke mit 42,8 Prozent, gefolgt von Michaela Steuer, die 27,2 Prozent der gültigen Stimmen erhielt. Der zweite Wahlgang wird bereits am 4. Oktober folgen, früher als in den anderen Orten. Barth ließ zum Ergebnis noch nichts verlauten. Es dürfte ihn ebenso enttäuscht haben wie die Partei, die bislang in Stauchitz besonders stark gewesen war.

Wenig Personal, aber viel Geld

Mit den gestrigen Ergebnissen setzt die sächsische AfD ihre lange Durststrecke bei Kommunalwahlen fort. Was auffällt: Die Werte unterbieten durchweg jene Resultate, die vor nicht langer Zeit in den gleichen Orten erzielt worden sind – unabhängig davon, wie bekannt die Kandidierenden sind oder wo sie im innerparteilichen Koordinatensystem stehen. Bestes Beispiel ist Hoyerswerda, wo die AfD zur Bundestagswahl 2017 und erneut zur Landtagswahl im vergangenen Jahr die Direktmandate gewann. Möglicherweise fehlt es an zugkräftigem Personal, falls es überhaupt vorhanden ist. So gab es gestern keinen AfD-Bewerber in Schwarzenberg (Erzgebirgskreis), anders als zur OBM-Wahl vor fünf Jahren. Auch in Neißeaue (Landkreis Görlitz) verzichtete die Partei auf eine Beteiligung. Dabei hatte die AfD in Deutschlands östlichster Gemeinde zur Landtagswahl ein Rekordergebnis geholt, mit 48,4 Prozent fast jede zweite Stimme.

Fünf weitere Versuche hat die AfD in den kommenden Wochen, wenn neue Bürgermeister*innen in Jöhstadt, Cunewalde, Ottendorf-Okrilla, Thum und Schleife gewählt werden. Hinzu kommt ein verdeckter Antritt in Brandis (Landkreis Leipzig), wo Ingo Börner bereits am kommenden Sonntag gegen den Amtsinhaber Arno Jesse (SPD) antreten wird. Börner ist offiziell ein parteiloser Einzelbewerber. In seiner Wahlwerbung fehlen Hinweise auf die AfD, für die er im Kreistag sitzt und deren Fraktion er im örtlichen Stadtrat sogar anführt.

Eine ähnliche Konstellation gibt es in Oßling (Landkreis Bautzen), wo kürzlich Johannes Nitzsche zum Bürgermeister gewählt wurde. Der parteilose Kommunalpolitiker war für die Wählervereinigung „Bündnis Zukunft gestalten“ angetreten. Im Bautzner Kreistag gehört er allerdings der AfD-Fraktion an. Bereits 2015 wurde in Schönfeld (Landkreis Meißen) Hans-Joachim Weigel zum Bürgermeister gewählt, damals für die nationalkonservative DSU. Heute ist er parteilos, sitzt aber für die AfD im Kreistag. Doch auf einen eigenen Rathaus-Chefsessel muss die Partei im Freistaat weiter warten.

Das bescheidene Abschneiden in diesem Jahr ist eine ungünstige Basis für weit bedeutsamere Wahlen, die bald anstehen – neben sechs Landtagen wird 2021 auch ein neuer Bundestag gewählt. Damit befasste sich am vergangenen Samstag der AfD-Bundeskonvent bei seiner internen Sitzung in Erfurt. Die naheliegende Lösung, schwächelnden Werten zu begegnen, ist Geld. So verlangen nach idas-Informationen mehrere Verbände für ihre Landtagswahlkämpfe von der Bundespartei jeweils hunderttausende Euro als Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Für die Bundestagswahl wird derzeit mit einer pauschalen Finanzspritze von mindestens 150.000 Euro pro Bundesland gerechnet. Im Vorfeld könnten noch Extra-Zugaben in beträchtlicher Höhe fließen. Grund: Die Aufstellungsversammlungen müssen pandemiebedingt unter erschwerten Bedingungen organisiert werden, die ins Geld gehen.