Braunes Schaulaufen in der „Herzkammer der AfD“

Rund 200 Anhänger*innen der AfD und ihres verfassungsfeindlichen Flügels, darunter die sächsische Landesspitze und mehrere Abgeordnete, kamen gestern nach Sebnitz zu einer Kunbdgebung der Partei. Die Versammlung hatte kein Motto, aber einen namhaften Gast: den Neonazi Andreas Kalbitz. Etliche Menschen protestierten gegen das extrem rechte Treffen in der Kleinstadt.

Selbstlob vom Flügel

Es sollte ein großes Schaulaufen des Flügels werden. Doch mit rund 200 Menschen kamen am Samstagnachmittag weniger Interessierte als erwartet zu einer Kundgebung auf dem Marktplatz in Sebnitz. Dorthin hatte der AfD-Verband im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge eingeladen, er spricht hinterher von fast der doppelten Zahl, die sich der „Demo der AfD“ angeschlossen habe. So hieß das Treffen, für das es es nicht einmal ein offizielles Motto gab. Es genügte, einen besonderen Gast anzukündigen: den Neonazi Andreas Kalbitz, der aus der Partei geflogen ist. Dieser Umstand spiele „für uns heute keine Rolle“, behauptete der sächsische Landesvorsitzende Jörg Urban gegenüber dem MDR. Doch längst ist der brandenburgische Landespolitiker auch in Sachsen eine wichtige Figur im aktuellen Machtkampf, für manche gar ein Idol.

Kurz nach 16 Uhr begann die Versammlung in der Kleinstadt südöstlich von Dresden. Kreisverbandschef Lothar Hoffmann begrüßte die Anwensenden, ausdrücklich auch angereiste Pegida-Fans, und führte dann durchs Rednerprogramm. Es war ein wilder Mix aus verschiedenen Lieblingsthemen der Partei. Der Bundestagsabgeordnete Jens Maier adelte die Region zur „Herzkammer der AfD“, Urban widmete sich der Corona-Krise und einer angeblich beschnittenen Meinungsfreiheit. Jan-Oliver Zwerg, als Generalsekretär die Nummer Zwei der Sachsen-AfD, beklagte eine unfaire Behandlung seiner Partei, der man den Dialog verweigere. Der einzige rote Faden war das ganz unbescheidene Eigenlob. Der Landtagsabgeordnete Ivo Teichmann etwa bezeichnete die AfD als einzige „wirkliche Opposition“.

Höhepunkt aus Sicht der Rechten war die neunminütige Ansprache von Kalbitz, doch auch er bot nur Standardinhalte mit einigen Ausflügen in die Tagespolitik. Aktuelle Diskussionen, den Begriff „Rasse“ aus dem Grundgesetz zu streichen, mochte er beispielsweise nichts abgewinnen, denn „wenn es das nicht gibt, dann gibt’s ja auch keinen Rassismus.“ Ohnehin habe Deutschland „kein Problem mit strukturellem Rassismus. Wir haben ein Problem mit struktureller Inländerfeindlichkeit in unserem Land.“ Ferner mit den „aufgebauschten Folgen“ der Pandemie, die bloße „Panikmache“ einer „Allianz der Grundgesetzabschaffer“ sei. Man nehme dadurch hin, „dass immer mehr Grundrechte eingeschränkt werden“. In Wirklichkeit galten für die Kundgebung, auf der Kalbitz sprach, gar keinen besonderen Beschränkungen mehr.

Schimpfattacken gegen alle anderen

Zu seiner eigenen Lage sagte er nicht viel, bedankte sich aber einleitend für „die Unterstützung, die mir aus allen Teilen der Republik ganz persönlich zuteil geworden ist.“ Von seiner Ex-Partei, in die er sich zurückklagen will, spricht er unverändert in der Wir-Form: „Da, wo wir einig sind und geschlossen stehen, da haben wir auch Erfolg!“ Nach einer knappen anderthalben Stunde endete die Kundgebung. Gemessen an Resonanz und Außenwirkung war die Versammlung weniger ein Höhepunkt der jüngsten Protestkampagne der sächsischen AfD als vielmehr so etwas wie ein symbolischer Abschluss.

Im Pulk zu sehen und teils als Ordner eingesetzt waren die AfD-Landtagsabgeordneten Norbert Mayer, Jens Oberhoffner und Doreen Schwietzer, ferner der suspendierte Justizbeamte Daniel Zabel aus dem Landesvorstand der Partei, der suspendierte Polizist Steffen Janich aus Pirna sowie der Identitären-nahe Aktivist Johannes Schüller, der für das AfD-Vorfeldmedium Deutschland Kurier berichtet. Ebenfalls dabei waren Personen, die augenscheinlich zur rechten Szene gehören und eher mit der NPD sympathsieren. Da man immerzu „einig sein“ will, sang man zum Schluss gemeinsam das Deutschlandlied.

Auch Gegenprotest hat es gegeben, am Vormittag eine Kreideaktion auf dem Markt, dann ein ökumenisches Friedensgebet in der benachbarten Peter-Pauls-Kirche und schließlich eine Menschenkette mit dem Motto „Zusammen für Sebnitz. Friedlich“. Hier engagierte sich ein breites politisches Spektrum, bis hin zur örtlichen CDU. Insgesamt positionierten sich dabei rund 200 Menschen, nicht weniger als bei der AfD. Der Rechtspartei missfiel das offenbar: Kalbitz nannte Teilnehmende am Gegenprotest in seiner Rede „lebende Exemplare der real existierenden Bildungskatastrophe“, die unter einem „Nazi-Tourette-Syndrom“ leiden würden. Auf AfD-Facebookseiten aus der Region ist heute die Rede von einem „betrunkenen Häufchen“, „linken Chaoten, „bekifften Antifanten“ und „wenig motivierten Hanseln“.

Das ist eben der Tonfall in der Herzkammer der AfD.