Presseschau, 13. Kalenderwoche 2020

Stadträte in Riesa und Dresden, keine Wahlen bis September, Landtag auf Sparflamme, fragwürdige PR-Aktionen in Hoyerswerda und Dresden, Hetze gegen Kanzlerin, Manuel Ochsenreiter abgetaucht, schlechte Umfragewerte, Verfassungsfeindlichkeit, u.v.m. Das war diese Woche wichtig:


AfD vom Virus kalt erwischt?

Beitrag aus dem TV-Magazin Panorama vom 26. März 2020:


AfD in Sachsen

Die AfD-Fraktion im Stadtrat von Riesa (Landkreis Meißen) hat sich fälschlich über eine angebliche Ausgrenzung beklagt. Hintergrund: In der Kommune wurde kürzlich ein sogenannter Bürgerhaushalt eingerichtet, ein spezieller Fonds aus städtischen Mitteln, mit dem künftig Projekte von Einwohner*innen finanziert werden können. Seine Fraktion sei in diesbezügliche Planungen jedoch nicht einbezogen worden, behauptete nun AfD-Fraktionschef Joachim Wittenbecher. Das sei „wieder ein Beweis, dass wir hier ausgegrenzt werden“, sagte er in der Ratssitzung, bei der über das Budget abgestimmt wurde. Der Vorwurf ist jedoch falsch. So wurde der zugrunde liegende Antrag, den Bürgerhaushalt einzurichten, zuvor im Ältenstenrat des Stadtrates besprochen, so dass alle Fraktionen vor der Abstimmung informiert waren. Für die AfD hatte Wittenbecher selbst an der Sitzung des Ältestenrates teilgenommen. (↪ Sächsische, 22.03.)


Wegen der Corona-Pandemie hat das Land Sachsen 28 der insgesamt 30 bis zu den Sommerferien geplanten Bürgermeister*innenwahlen verschoben. Nachwahlen werden frühestens ab Ende September möglich sein, so die aktuelle Einschätzung des Innenministeriums. Betroffen sind auch mehrere Wahltermine, bei denen die AfD mit eigenen Kandidierenden antreten will, darunter die OBM-Wahlen in Chemnitz und Zwickau. Wahlkampfveranstaltungen sind sachsenweit bereits seit dem 19. März untersagt. (↪ MDR, 24.03.)


 Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie hat der Sächsische Landtag mit Zustimmung aller Fraktionen sein Sitzungsprogramm stark reduziert. So werden ab der kommenden Woche nur noch einige der Fachausschüsse des Parlaments zusammentreten. Dabei sollen bis auf Weiteres ausschließlich solche Themen behandelt werden, die mit der Bewältigung der aktuellen Krise zusammenhängen. Durch die freiwillige Beschränkung der Sitzungszahl und der jeweiligen Sitzungsdauer soll das Infektionsrisiko auf ein Minimum begrenzt werden, ohne die Parlamentsarbeit komplett auszusetzen. Die AfD-Fraktion hat ihre bisherige Blockadehaltung aufgegeben und dem Vorgehen zugestimmt. Ihm fällt auch die nächste reguläre Sitzung des Untersuchungsausschusses zum Opfer, die am kommenden Donnerstag stattfinden sollte. Die AfD hat dieses Gremium einrichten lassen, um die Kürzung ihrer Landesliste zur vergangenen Landtagswahl aufzuklären. (↪ Sächsische, 24.03.)


Der AfD-Kreisverband Landkreis Leipzig hat mit Häme auf die Nachricht reagiert, wonach sich die Bundeskanzlerin Merkel vorsorglich in häusliche Corona-Quarantäne begeben hat. Auf der Facebook-Seite des Verbandes ist am vergangenen Sonntag ein Beitrag erschienen, in dem es heißt, dass Merkel „nicht mehr auf die politische Bühne zurückkehren“ werde und nunmehr „Geschichte“ sei. Der Beitrag, der nach wie vor abrufbar ist, hat etliche negative Reaktionen hervorgerufen. Auf eine Medienanfrage äußerte sich der Verband nicht und gab auch keine Auskunft darüber, wer die Facebook-Seite betreut. Dort erscheinen immer wieder verschwörungsideologische Inhalte, kürzlich war sogar ein antisemitisches Video verlinkt worden. Der Pressesprecher des Kreisverbandes, Bodo Walther, erklärte inzwischen, er fühle sich durch Presseanfragen an eine Stasi-Vernehmung erinnert. (↪ LVZ, 24.03.)


Die AfD-Regionalgruppe Hoyerswerda (Landkreis Bautzen) ist mit einem fragwürdigen Versuch, Wertschätzung für „Helden des Alltags“ zu zeigen, in die Kritik geraten. So haben am Sonnabend der vergangenen Woche mehrere AfD-Kommunalpolitiker*innen das Lausitzer Seenland-Klinikum betreten und dort für die Belegschaft einen Blumenstrauß am Empfang abgegeben. Zur Delegation der Partei gehörte unter anderem Toni Schneider, der für die AfD im Hoyerswerdaer Stadtrat sitzt und der auch für die verfassungsfeindliche Identitäre Bewegung aktiv war. Die Klinik reagierte mit einem Brief, in dem sie die AfD auffordert, sie möge ihre „Wertschätzung“ künftig „auf anderem, infektionssicheren Wege zum Ausdruck bringen“. Die Partei habe Verhaltensregeln nicht beachtet und damit „sich selbst, unsere Patienten und unsere Mitarbeiter unnötig in Gefahr“ gebracht. Ein offizielles Betretungsverbot für Krankenhäuser galt zum Zeitpunkt der AfD-Visite noch nicht, doch entsprechende Appelle, solchen Einrichtungen fernzubleiben, waren bereits allgemein geläufig. Die betroffene Klinik hatte zudem den Besucher*innenverkehr bereits eingestellt. Der Facebook-Beitrag, mit dem die Hoyerswerdaer AfD ihre Aktion dokumentiert hat, wurde inzwischen gelöscht. (↪ t-online.de, 24.03., ↪ Tag24, 24.03.)


Mit unnötig vielen Mitgliedern hat am Donnerstag die örtliche AfD-Fraktion an der Sitzung des Dresdner Stadtrates teilgenommen. Im Vorfeld war angestrebt worden, dass jede Fraktion nur gut die Hälfte ihrer Ratsmitglieder erscheinen lässt, um das Gremium beschlussfähig zu halten, aber die Infektionsgefahr auf ein Minimum zu reduzieren. Die zwölfköpfige AfD-Fraktion hatte jedoch frühzeitig angekündigt, sich daran nicht zu halten, und tat das dann auch nicht: „Nur ein Stadtrat blieb zu Hause, ein zweiter setzte sich auf die Besuchertribüne und nicht in den Plenarsaal“, berichtet die DNN. „Es waren schnell verdiente 60 Euro – nach 35 Minuten war die Stadtratssitzung vorbei.“ (↪ DNN, 25.03., ↪ DNN, 26.03., ↪ DNN, 28.03.)


Mit einer fragwürdigen PR-Aktion im Zeichen der Pandemie ist die sächsische AfD gescheitert. Am Mittwoch hatte die Landtagsfraktion auf ihrem Facebook-Profil zunächst ein Video veröffentlicht, das in einem Dresdner Modegeschäft („Atelier Heike Winter“) entstanden ist und zeigt, wie dort improvisierte, nicht-medizinische Mundschutzmasken hergestellt werden. Der „Moderator“ Felix Menzel, Pressereferent der Fraktion, befragte dazu die anwesenden Abgeordneten Jörg Urban und André Wendt. Deren Darstellung zufolge habe die Fraktion bei der Geschäftsinhaberin Heike Winter, bei der es sich offenkundig im eine Parteifreundin handelt, 200 Masken bestellt. Am Tag darauf wurde auf der Facebook-Seite des AfD-Landesverbandes berichtet, dass genau diese Masken an das Dresdner Universitätsklinikum übergeben wurden, unter anderem im Beisein von Landtagsabgeordneten und Mitgliedern des Dresdner Stadtrates. Das zeigen Fotos, aus denen sich auch ergibt, dass der empfohlende Mindestabstand nicht eingehalten wurde. Bei der Klinik war die Spende vorab als „milde Gabe“ von Landtagsabgeordneten angekündigt worden, jedoch ohne die AfD zu erwähnen. Eine Pflegedirektorin der Klinik bezeichnete die Aktion gegenüber Medien als „perfide“ und kritisierte, dass die AfD versucht habe, die Einrichtung zu täuschen und politisch zu instrumentalisieren. Am Freitag reagierte die Klinik dann auch offiziell – und übergab die Masken an die Dresdner Flüchtlingsambulanz. Damit war die PR-Aktion nicht nur ad absurdum geführt. Sondern die AfD hat sich auch einige Probleme eingehandelt: Die Beteiligten haben, um Bild- und Videomaterial zu fertigen, gleich mehrfach und jeweils ohne triftigen Grund gegen die geltenden Ausgangsbeschränkungen verstoßen und diese Verstöße eindeutig dokumentiert. Und: Dass die Masken von der Fraktion bezahlt wurden, um sie für die Öffentlichkeitsarbeit der Landespartei zu verwenden, ist mutmaßlich ein Fall unerlaubter Parteienfinanzierung. Ein Nachspiel beim Landesrechnungshof ist denkbar. (↪ RND, 26.03., ↪ Volksverpetzer, 27.03.)


Die sächsische AfD-Landtagsfraktion hat eine irreführende Interpretation der kürzlich veröffentlichten Polizeilichen Kriminalstatistik für den Freistaat verbreitet. Am Donnerstag kommentierte der Abgeordnete Sebastian Wippel, innenpolitischer Sprecher seiner Fraktion, in einer Pressemitteilung die PKS-Daten, die einen Rückgang der Fallzahlen anzeigen. Laut Wippel, von Beruf Polizeibeamter, liege das jedoch „einzig und allein an demographischen Effekten“. Diese und weitere eigenwillige Behauptungen Wippels werden auf dem Volksverpetzer-Blog kritisch eingeordnet. (↪ Volksverpetzer, 28.03.)

AfD rundherum

Mehrere AfD-Bundestagsabgeordnete haben Berichte über die vorsorgliche Corona-Quarantäne der Bundeskanzlerin Merkel zum Anlass für herabwürdigende „Scherze“ genommen. So verbreitete der sächsische Parlamentarier Jens Maier die Nachricht über seinen Twitter-Account mit lachenden Smilies und dem Satz: „Oder steht sie schon unter Hausarrest?“ Der Beitrag wurde nach kurzer Zeit wieder gelöscht. Marco Wanderwitz (CDU), der Ostbeauftragte der Bundesregierung, kritisierte Maiers Beitrag. Es verwundere ihn aber nicht, denn Maiers sächsischer AfD-Landesverband sei „braun von unten bis oben.“ (↪ t-online.de, 23.03., ↪ Handelsblatt, 23.03.)


Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin ermittelt nach wie vor gegen einen ehemaligen AfD-Mitarbeiter wegen des Verdachts der Anstiftung zu einer schweren Brandstiftung. Beschuldigt wird Manuel Ochsenreiter, der bei dem Bundestagsabgeordneten Markus Frohnmaier angestellt war. Diese Anstellung hatte er verloren, nachdem die Ermittlungen publik geworden waren. Ochsenreiter ist derzeit unbekannten Aufenthalts und wird von den Behörden gesucht. Für die zugrundeliegende Tat wurden Anfang der Woche drei Männer durch ein Gericht im polnischen Kraków zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Sie hatten im Februar 2018 im ukrainischen Uschgorod einen Anschlag auf eine ungarische Kultureinrichtung begangen, mutmaßlich auf Geheiß Ochsenreiters. Bei den Ermittlungen sollen Hinweise angefallen sein, wonach dieser in russischem Auftrag gehandelt habe. Es liegen unabhängig von der Tat weitere Anhaltspunkte vor, die auf eine entsprechende Agententätigkeit Ochsenreiters hindeuten. Er ist weiterhin Chefredakteur der extrem rechten Zeitschrift „Zuerst!“, die häufig AfD-freundlich berichtet. Mehrere sächsische AfD-Abgeordnete gewährten der Zeitschrift Interviews, darunter der Landesvorsitzende Jörg Urban, André Wendt und zuletzt Martina Jost. Im April 2017 nahm Ochsenreiter zudem an einer Tagung in Freiberg (Mittelsachsen) teil, die sich gegen die Russlandsanktionen richtete und zu der die AfD-Landtagsfraktion eingeladen hatte. (↪ t-online.de, 24.03.)


Bei der Plenarsitzung des Deutschen Bundestages am vergangenen Mittwoch haben Abgeordnete der AfD für Empörung bei den anderen Fraktionen gesorgt. Während diese verschiedenen Schutzmaßnahmen folgten, um Infektionsgefahren zu reduzieren, nahmen die Parlamentarier*innen der AfD die Empfehlung nicht an, sich im Sitzungssaal zu verteilen und auch die sonst für Besucher*innen vorgesehene Tribüne zu nutzen. Zudem sammelten sich in den Sitzungspausen wiederholt AfD-Abgeordnete in kleinen Gesprächskreisen und standen dort direkt beieinander, ohne den Abstand zueinander zu wahren. (↪ RND, 25.03.)


Die AfD-Bundestagsfraktion brüstet sich womöglich zu Unrecht damit, dass ihr aus Sachsen stammender Abgeordneter Ulrich Oehme russische Unterstützung für das von der Corona-Pandemie stark betroffene Italien arrangiert hat. Kürzlich waren rund 100 russische Armeeangehörige in Rom gelandet und öffentlichkeitswirksam in Richtung Bergamo gefahren. Nach Darstellung der AfD-Fraktion sei die russische Regierung damit einem „Hilfeersuchen“ Oehmes nachgekommen. Dieser hatte nach eigenen Angaben entsprechende Briefe an zwei russische Duma-Abgeordnete geschickt, von denen einer auf der Sanktionsliste der Europäischen Union steht. Angeblich habe dies Putin entscheidend beeinflusst – nachprüfbar ist das aber nicht. Bekannt ist vielmehr, dass es ein Gespräch zwischen Putin und dem italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte gegeben hatte. Strittig ist auch, inwieweit das russische Armee-Equipment bei der Bekämpfung der Pandemie von Nutzen ist. (↪ Bild, 26.03.)

Stimme & Haltung

Der bekannte Rechtswissenschaftler Christoph Möllers erkennt in dem Verhalten der sächsischen AfD-Landtagsfraktion, die das Parlament während der Corona-Pandemie zur Tagung in voller Besetzung gezwungen hat, einen „sicheren Beleg für die institutionelle Verfassungsfeindlichkeit der Partei.“ Es sei der AfD offenbar darum gegangen, „die Handlungsfähigkeit des Sächsischen Landtags offensiv in Frage zu stellen“. Dafür sei man nicht bloß unkooperativ gewesen, sondern habe die Gefährung von Abgeordneten in Kauf genommen. Dieses Vorgehen sollte „als politischer Skandal nach dem Ende der Corona-Krise in Erinnerung bleiben“, so Möllers. (↪ Verfassungsblog, 20.03.)


Laut einer aktuellen Umfrage hat die AfD in Sachsen gegenüber ihrem Ergebnis zur Landtagswahl im vergangenen Jahr leicht an Zustimmung verloren. Wenn heute Landtagswahl wäre, würden 25,1 Prozent der wahlberechtigten Sächs*innen ihr Kreuz bei der AfD machen. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Erhebung des Instituts Civey im Auftrag der Sächsischen Zeitung. Es ist das erste publizierte Ergebnis einer landesbezogenen „Sonntagsfrage“ seit der sächsischen Landtagswahl, bei der die AfD 27,5 Prozent der Zweitstimmen erhalten hatte – knapp zweieinhalb Prozentpunkte mehr als jetzt. Die Abweichung liegt allerdings im Bereich der Fehlerspanne. Eine signifikante Veränderung ist nur bei der CDU zu verzeichnen, die von 31,1 auf 35,8 Prozent zulegt. Ein Grund könnte die derzeit stark ausgeprägte Zufriedenheit mit Ministerpräsident Michael Kretschmer sein. (↪ Sächsische, 27.03.)

Hintergründe

Die AfD steht aktuell nicht nur wegen ihres inkonsequenten Umgangs mit dem verfassungsfeindlichen Flügel unter Druck. Sondern nun könnte auch das Finanzgebaren des Flügels die Gesamtpartei in die Bredouille bringen. Der Verdacht, dass sich der Flügel „schwarzer Kassen“ zum Einsammeln von Spendenmittel bediente, ohne dass diese in den Bilanzen der Partei auftauchen, war in der vergangenen Woche bekannt geworden. Unter anderem nutzte man dafür einen angeblich parteiunabhängigen Vereins namens „Konservativ!“ und das Konto des sachsen-anhaltischen AfD-Bundestagsabgeordneten Frank Pasemann. Darauf war der Zoll bei Ermittlungen zu einem Geldwäsche-Verdachtsfall gestoßen. Nun zitiert die ZEIT einen nicht namentlich genannten Flügel-Anhänger aus Sachsen. Ihm zufolge habe der Flügel weitere informelle Wege zur Geldbeschaffung und Zahlungsabwicklung genutzt. So seien Beiträge für Veranstaltungen der Gruppe in „Sammelkörbchen“ gelegt worden, aus denen heraus Unkosten „unmittelbar beglichen“ worden seien – also mutmaßlich in bar und ohne Umweg über eine ordentliche Buchführung. (↪ Zeit, 22.03.)


Die AfD ist „seit ihrer Gründung im rechtsextremen Milieu Deutschlands verwurzelt“. Das zeigt die Deutsche Welle anhand einschlägiger Personalien wie Andreas Harlaß, der die Presseabteilung der sächsischen AfD-Landtagsfraktion leitet. Das Besondere ist, dass die Partei mit ihrer eindeutigen Ausrichtung Erfolg hat, und zwar auch finanziell. Berechnungen zeigen, dass der AfD im Zeitraum von 2017 bis 2021 aus der staatlichen Parteienfinanzierung insgesamt rund 400 Millionen Euro zufließen werden. (↪ DW, 25.03., ↪ englischsprachige Fassung)